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Industrie 4.0 mittels Echtzeit und OPC UA

PikeOS, Industrial Automation, IoT

Seit bald zwanzig Jahren existiert der Industrie-Kommunikationsstandard OPC UA (Unified Architecture) und hat seitdem weite Teile der Industrie in Sachen Digitalisierung vorangebracht. Als wichtiger, technologischer Baustein ermöglicht OPC UA die sichere Kommunikation innerhalb von Industrieanlagen, ohne die die Industrie 4.0 nur schwer denkbar wäre. OPC UA ist offen, plattformunabhängig und basiert auf einem Server-Client-Modell. Es ist so konstruiert, dass jeder relevanter Datenpunkt miteinander vernetzt werden kann – vom kleinen Controller bis zum Enterprise-Server – und ermöglicht so das zusammenwachsen von Operational Technology (OT) und Information Technology (IT). Darüber hinaus bietet der Kommunikationsstandard die Möglichkeit remote aus der Ferne auf Anlagen, Maschinen, Sensordaten und agglomerierte Informationen zuzugreifen. Was kann der Mittelstand, der sich bisher gescheut hat OPC UA zu adaptieren, also daraus für einen Mehrwert ziehen?


Die derzeitige Situation

Zunächst einmal: Der klassische Maschineningenieur und der klassische Anlagentechniker, die vor Ort anpacken, werden nicht aussterben. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Effizienz und den Zugriff auf Betriebsdaten durch den Einsatz der neuesten technologischen Fortschritte zu steigern. Bisher scheuen viele Maschinenbauer den Einsatz von Informationstechnik in ihren Anlagen. Die Vorbehalte gegenüber Software und die Unkenntnis über sie sind leider noch weit verbreitet. Dabei spielen zwei Dinge eine große Rolle: Einerseits ist die Vernetzung nicht unbedingt trivial und die Entscheidung die unternehmenseigene Digitalisierung voranzutreiben häufig eine auf Managementebene. Viele Ingenieure sind mit ihrer Arbeit so ausgelastet, dass optionale Projekte, die nicht als unternehmenskritisch betrachtet werden, beiseite geschoben werden. Der mögliche Nutzen wird dabei aber übersehen: Wenn erst einmal an wichtigen Datenpunkten vernetzte Systeme laufen, erhält man die Möglichkeit vorausschauend zu planen, aus der Ferne zu warten und vielleicht am wichtigsten: Die Gesamtanlageneffektivität (Overall equipment effectiveness – OEE) zu steigern, indem die anfallenden Daten klug genutzt werden.


Was möglich wäre

Sicher: Wenn man weiß, dass beispielsweise eine C-Teile-Komponente eine Lebensdauer von 100.000 Betriebsstunden hat und gewissenhaft plant, werden die Anlagen nicht oder nur sehr wenig still stehen. Allerdings hält sich nicht jeder Servomotor und jeder Vibrationsantrieb an seine zugesprochene Lebenserwartung. Was wäre, wenn nun eine entsprechende Komponente ihren Status rechtzeitig melden könnte? Durch eine Vernetzung zum ERP-System könnte automatisiert eine Bestellung vorgemerkt werden, die rechtzeitig und zu einem kostengünstigen Zeitpunkt erworben werden könnte. Erste Anbieter auf dem Markt bieten solche Lösungen an und helfen dem Procurement- und dem Supply-Chain-Manager mit planbaren Informationen, vor allen Dingen aber mit wertvoller Zeit. Wenig ist kostenintensiver als ein Produktionsstillstand bei gleichzeitigem Komponentenmangel und gerade heutzutage bei stark strapazierten Lieferketten, in denen nur die Unsicherheit Bestand zu haben scheint, sind Information und Zeit wichtiger werdende Ressourcen.

Natürlich muss nicht immer von den schlimmsten Szenarien ausgegangen werden: OPC UA ermöglicht auch die Bedienung und Wartung aus der Ferne, für die früher zwingend vor Ort hätte gearbeitet werden müssen. Dies ist ein Plus für die Flexibilität von Unternehmen und von Arbeitnehmenden und trägt dazu bei, dass bei potentiell problematischen Situationen Personalengpässe abgefangen bzw. Mannstunden gespart werden können. Darüber hinaus lassen sich mit OPC UA die anfallenden Informationen dazu nutzen, vorausschauender und effektiver Anlagen zu betreiben. Beispielsweise könnten energieintensive, aber zeitunkritische Prozesse dann ablaufen, wenn die hauseigene PV-Anlage starke Sonneneinstrahlung meldet. In Zeiten teurer Energie, ist die smarte Nutzung von Energie ein Wettbewerbsvorteil. Neben diesen Erwägungen spielt aber vermutlich die größte Rolle, dass Anlagenbetreiber die sich agglomerierenden Informationen dazu einzusetzen ihre Prozesse zu effizientivieren, Automatisierungspotenziale zu entdecken, die vorher verborgen waren und langfristig Kosten zu senken und Prozesse zu verbessern.


Sichere Kommunikation

Digitaler Informationsfluss bedeutete früher und teilweise noch heute in Produktionsanlagen unverschlüsselte Datenübertragung. In Zeiten, in denen die Kosten und die Zahlen von Hackerangriffen auf die Industrie explodieren, ist der Einsatz unverschlüsselter Daten, die versendet werden, ein extreme Gefahr. OPC UA bietet deshalb standardmäßig verschlüsselte Kommunikation. Protokolle wie MQTT bieten dies ebenfalls an, haben jedoch den Nachteil, dass die Struktur der Datennutzlast nicht standardisiert ist. Daher erfordert die gemeinsame Nutzung von Metainformationen über mehrere Geräte hinweg erhebliche zusätzliche Orchestrierung, um die Kompatibilität sicherzustellen. Wenn man also überhaupt den Vergleich wagen möchte, kann man sagen, dass mit dem Einsatz von OPC UA es möglich wird eine Maschine von außen genauer zu verstehen. Mittlerweile etablieren sich sogenannte Companion Specifications, die dazu dienen vergleichbare Maschinen und Anlagenteile wie beispielsweise Pressen herstellerunabhängig gleich anzusprechen. Das ermöglicht eine höhere Flexibilität durch Modularität, weil nun eine größere Auswahl an Maschinen schneller implementiert werden kann.


Einsatz von OPC UA mit einem Echtzeitbetriebssystem

Der Einsatz von OPC UA mit einem Echtzeit-Betriebssystem wie PikeOS ergibt vor allen Dingen auf der Feldebene Sinn und dient als Grundlage wesentliche Funktionalitäten out-of-the-box zu bieten, die Bare-Metal erst programmiert werden müssten. Ein sicheres System wie PikeOS, das Ressourcen in Zeit und Raum trennt und deteministisches Verhalten von Datenprozessierung wie beispielsweise beim Ansprechen von Aktoren oder das Auslesen von Sensoren garantiert, ist somit eine gute Grundlage um funktional sichere Programmierung von Anwendungen zu ermöglichen, die zuverlässig funktionieren müssen und bei denen ein Ausfall keine Option ist. Mit entsprechender Drittanbieterlösung kann auf einer PikeOS-Partition sicher getrennt beispielsweise eine Temperaturüberwachung und -steuerung laufen und sicher nebenläufig ein OPC-UA-Client Monitoring-Daten an einen zentralen OPC-UA-Server übermitteln.

Der Vorteil aus dieser Verbindung ist, dass PikeOS gegen viele Industrie-Safety-Standards vorzertifiziert ist wie der IEC 61508 und gleichzeitig in der Version 5.1.3 des PikeOS Separation Kernels die hohe EAL-Stufe 5+ gegen Cybersecurity-Norm die Common Criteria hält. So lassen sich funktional sichere und cybersichere Anwendungen ausführen – vom keinen Controller bis zum ausgewachsenen System-on-Chip (SoC). In der Konsequenz erhält man eine erhöhte Sicherheit in Bezug auf Funktionalität, Daten bzw. Schutz vor Hackerangriffen sowie eine Datengrundlage, auf der sich Effektivität, Effizienz steigern lassen und Kosten eingespart werden können bei größtmöglicher Anwenderfreundlichkeit.

Darüber hinaus bietet der Einsatz von Time-Sensitive-Networking (TSN) die Möglichkeit der harten, verteilten Echtzeitfähigkeit. Diese Kommunikation funktioniert über ein Publisher-Subsriber-Modell, das keine Acknowledgments benötigt. Die Grundlage dafür ist die gesteigerte Leistungsfähigkeit von industriellem Ethernet. Über die Einbindung eines entsprechenden Stacks wie Open62541 gelingt dies.


Anwendungsfälle

Es gibt viele Anwendungen von Echtzeit-Betriebssystemen wie PikeOS und OPC UA in der industriellen Automatisierung, wie z.B. in der Produktion von Automobilen, in der Energieerzeugung, in der Luft- und Raumfahrt und in der Medizintechnik. Echtzeit-Betriebssysteme und OPC UA sind wichtige Technologien, die die Entwicklung von intelligenten Automatisierungssystemen unterstützen und die Zukunft der industriellen Automatisierung ermöglichen. Ein Beispiel für die Anwendung von PikeOS in Verbindung mit OPC UA ist in der Produktion von Automobilen. Hier kann PikeOS verwendet werden, um die Steuerung und Überwachung von Produktionsprozessen in Echtzeit zu ermöglichen. Durch die Verwendung von OPC UA können verschiedene Systeme und Geräte, wie z.B. Maschinen, Sensoren und Steuerungen, miteinander kommunizieren und Daten austauschen. Dies ermöglicht es, die Produktion in Echtzeit zu überwachen und anzupassen, um die Effizienz und Qualität der Produktion zu verbessern.

Auch bei der Energieerzeugung in Kraftwerken ergibt der Einsatz Sinn, wenn Turbinen, Generatoren und Sensoren Daten austauschen. Leistung und Effizienz der Kraftwerke können in Echtzeit überwacht und angepasst werden. Dies ist besonders interessant für Residuallastdecker wie Kohlekraftwerke, solange erneuerbare Energien schwankend einspeisen. Gezeitenkraftwerke und Windparks profitieren natürlich auch von flexibler Anpassung an die Umweltbedingungen bzw. der Kommunikation untereinander wie sie bei virtuellen Kraftwerken benötigt werden. Die Anwendungsfälle erstrecken sich über alle Industriezweige. Die Grundlage für die Digitalisierung existiert und kann bereits jetzt genutzt werden – es muss nur gewollt und umgesetzt werden.


Out-of-the-Box-Lösung

SYSGO und Systerel haben zusammengearbeitet um eine gemeinsame Lösung (Press Release) für den Einsatz von OPC UA zu schaffen. Das Ergebnis: Die funktional- und cybersichere Lösung S2OPC kann nun nativ, also ohne Gastbetriebssystem, auf einer PikeOS-Instanz ausgeführt werden. Dies bietet gleich mehrere Vorteile, denn so bleiben die Anforderungen an die Hardware niedrig, der Ressourcenverbrauch ist auf einem geringen Niveau. Darüber hinaus bietet die integrierte Lösung die gesichert-erschlossene Möglichkeit rasch und zuverlässig den OPC-UA-Standard einzuführen. S2OPC wurde ähnlich wie PikeOS für den cybersicheren und funktional sicheren Einsatz im Embedded-System-Umfeld erschaffen für Geräte, die Echtzeitfähigkeit benötigen. Dies ermöglicht in Konsequenz, dass die gemeinsame Echtzeit-Lösung safety- und security-zertifizierbar ist, was auf dem Markt einzigartig ist und es Systemherstellern erlaubt verlässliche Anwendungen zu bauen.

Mehr Informationen unter www.sysgo.com/pikeos